Gemeindebrief Jahrgang 26, Ausgabe 104, Oktober 2020

Gemeindebrief, Jahrgang 26, Ausgabe 104, Oktober 2020
Bildrechte Kg Michelrieth

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Geleitwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster. Und ein sanfter Wind strömt ins Zimmer und bringt frische Luft mit und das tut jetzt gut, soll man auch machen, in Coronazeiten. Frische Luft, diese sanfte Priese, das geöffnete Fenster. Und Licht. Und der Duft von vielleicht einer blühenden Rose. In den Gardinen sehen wir ein leichtes Wehen hin und her, und draußen singen ein paar Vögel, sonst ist es still. Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster. Und jetzt wird es anders weitergehen. Aber vorher ist auch viel gewesen.

An diese Szenerie musste ich denken, als ich das Bild von Sieger Köder "Blick aus dem Fenster 2" betrachtete. Der zitierte Text klingt ein wenig nach Pfingsten, das in diesem Jahr wie so vieles andere auch sehr bescheiden gefeiert werden konnte, wenn überhaupt. Jesus ist weggegangen und etwas anderes ist gekommen. Und das ist ja auch unsere Erfahrung. Erst wenn etwas weg ist, wenn etwas zu Ende gegangen ist, wenn etwas vorbei ist, ist Platz für das Neue.

Wir müssen uns nicht wie die jünger von Jesus verabschieden. Die haben mit ihm gelebt und die müssen verkraften, dass er nicht mehr da ist. Aber wir müssen uns in unserem Leben auch immer wieder auf Abschiede einstellen und haben auch schon viele erlebt. Die Kinder gehen aus dem Haus und auch wenn sie nicht weg sind, kommen sie anders zurück. Es gibt Trennungen, die auf andere Weise zu setzen und Schmerzen. "Die haben sich getrennt", hören wir. "Die haben sich auch getrennt",  flüstern wir uns zu. Menschen verlassen einander, verlassen den anderen, den Partner, die Kinder, die Familie. Wir beenden eine Lebensphase und gehen in eine andere, auch da bleibt manches zurück. Das Ende einer Freundschaft. Der Abschied von einer langen Beziehung. Unser Körper der uns zeigt, wie begrenzt wir leben, und der Tod mit all seinen Vorboten und seinen Schrecken. mit der Trauer die er hinterlässt. Es hieß auch Abschied nehmen vom "Neuen Pfarrhaus" in Michelrieth. Es steht noch, aber es ist so gut wie ausgeräumt leer. Der Heizungstank wurde zerlegt. es gibt kein warmes Wasser mehr. Wenn man hineingeht klingt alles hohl und die Luft ist erfüllt von Feinstaub. Ich gebe zu, dass dieser Abschied für mich nicht einfach war. Schließlich habe ich in diesem Haus 28 Jahre gelebt. Wann es abgerissen wird steht noch nicht fest. Wir gehen aber davon aus, dass das noch in diesem Jahr geschieht. Eine weitere wichtige Veränderung hat sich ergeben. Wir haben das Pfarrbüro das in Michelrieht im alten denkmalgeschützten Pfarrhaus war, nach Oberwittach verlegt. Das ist für die Bauphase erforderlich, weil ja auch am alten Pfarrhaus abgerissen werden wird und wir es uns nicht leisten können, dass da irgendetwas passiert. Und wenn alles fertig ist kommt das Büro natürlich wieder nach Michelrieth. Allen die beim Umzug geholfen haben, möchte ich an dieser Stelle herzlich danken. Es war schön zu sehen, wie viele da Hand in Hand geholfen haben. Und es hat sich gezeigt, dass wenn alle zusammenstehen das auch zeitlich recht flott über die Bühne gehen kann. "Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster". Wir verabschieden das, was nicht bleiben kann und lassen gehen, was gehen will und gehen muss. Auch in anderer Weise erleben wir gerade, dass etwas zu Ende geht. Verbindungen und Bündnisse, die bisher bestand hatten werden brüchig. Die Weltordnung verändert sich. Täglich erreichen uns Bilder von hilfesuchenden Flüchtlingen, die sich keinen anderen Rat mehr wissen, als in ein Boot zu steigen und versuchen nach Europa zu kommen. Die anderen und wir hier in Europa. Und mittendrin unsere Kirche, in und mit ihrer langen Geschichte, aber auch in ihrer Verantwortung. Wohin wird sie sich entwickeln? Wovon müssen wir uns verabschieden? Was ist mit den vielen Gemeinden, landauf, landab, die mit aller Kraft versuchen das bisherige zu halten und als Gemeinde verlässlich zu bleiben? Welche Stimme wird sie haben, welche Rolle wird unsere Kirche in Zukunft spielen? Es gehen so viele und es kommen zu wenige. Auch hier Trauer- und Abschiedsprozesse. "Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster". Und ein sanfter Wind strömt ins Zimmer und bringt frische Luft mit, und das tut jetzt gut …

Und jetzt wird es anders weitergehen. Wir öffnen uns am offenen Fenster für das was kommt. Für das neue, das hereinweht, für die Ideen, die uns hoffentlich zu fliegen und fangen schon mal an, heute zu tun, was erst morgen oder übermorgen möglich scheint. Das wird auch nötig sein, wenn wir aus der Krise bzw. aus dem taumelnden Abwärts heil herauskommen wollen. Dazu brauchen wir die Kraft aus der Höhe: Gottes guten Geist.
Den wünsche ich uns allen.

Ihr Pfarrer Reinhold Völler